Nachhaltiges Marketing - mehr als ein Modetrend?

Das Thema Nachhaltigkeit hat sowohl in den Medien als auch im Marketing signifikant an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile gibt es kaum ein Unternehmen, das nicht mit dem Verweis auf sein ökologisches oder soziales Engagement Werbung macht. Hat sich Nachhaltigkeit also bereits als Wertesystem etabliert, oder handelt es sich lediglich um eine Modeerscheinung, die von findigen Marketingstrategen benutzt wird? Dr. Alexandra Hildebrandt, Leiterin des Bereichs Gesellschaftspolitik bei der Arcandor AG, spricht im UmweltDialog-Interview über die Kriterien nachhaltiger Werbung, die Einbeziehung der Stakeholder und Jürgen Klinsmann.

13.10.2008

UmweltDialog: Frau Dr. Hildebrandt, was verstehen Sie persönlich unter dem Begriff "nachhaltige Werbung"?
 
Dr. Hildebrandt: Sie ist die Spitze des Eisbergs - das letzte Siebtel, das sichtbar herausragt aus dem Meer der Kommunikation. Werbung ist nachhaltig, wenn sie hält, was sie verspricht, wenn sie Geschichten erzählt und Sinn vermittelt, nicht dem Trend folgt, sondern etwas Eigenes und Unverwechselbares zeigt, wie es zum Beispiel American Apparel macht. Viele Nachhaltigkeitsanzeigen sehen gleich aus - deren Macher, die sich ständig gegenseitig kopieren, denken nicht über das nach, was sie routinemäßig tun, wollen auf Nummer sicher gehen und vergeben gleichzeitig wichtige Chancen, um auf sich und ihre Botschaft aufmerksam zu machen. Allerdings genügt es nicht, nur eine Botschaft zu haben - sie muss auch gelebt werden. Und so sind Taten immer noch die beste Werbung für ein Unternehmen. Der italienische Fotograf Oliviero Toscani sagte kürzlich sehr treffend: „Natürlich müssen Unternehmen Gewinn erzielen, aber sie müssen verstehen, dass das auch geht, wenn man das Richtige tut und nicht nur, wenn man einfallslose Werbung macht.“
 
UmweltDialog: Sie haben vor kurzem in Zusammenarbeit mit Michael Aßländer, dem Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Universität Kassel, eine Studie mit dem Titel "Nachhaltigkeit und Werbung - Werbung mit Nachhaltigkeit" in den Glocalist-Medien veröffentlicht. Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass Nachhaltigkeit als nicht endender Prozess verstanden werden sollte. An welchem Punkt des Weges sehen Sie Arcandor derzeit?
 
Dr. Hildebrandt: Als wir vor einigen Monaten mit der Studie begannen, wussten wir keine Antwort auf die Fragen, die uns beschäftigten. Es war ein befriedigendes Gefühl, einfach anzufangen, Material zu sichten, es in unterschiedliche Kontexte zu stellen, Schwerpunkte zu fokussieren und ein Konzept zu entwickeln. Die Glocalist-Medien, die uns dabei hervorragende Unterstützung gaben, und Prof. Aßländer begleiten das Projekt auch weiterhin mit uns, so dass es wirklich nachhaltig ist. Online starteten wir den Aufruf zum Dialog, und es ist erstaunlich, wie viele Menschen sich innerhalb weniger Tage beteiligt haben. Nach einem gemeinsamen Meeting und in Kooperation mit der Universität Mannheim wird das Projekt „fortgeschrieben“ und später in einer erweiterten Printversion publiziert. Auf Basis unserer Ergebnisse werden einige Anzeigenentwürfe entwickelt. Unsere Stakeholder sollen später darüber entscheiden, welches Motiv für sie „nachhaltig“ ist und warum. Bis dahin keine Werbung zu machen, ist eine gute Werbung, denn es zeigt, wie wichtig es ist, uns über Inhalte zu definieren.
 
UmweltDialog: Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen Stellschrauben für die Zukunft?
 
Dr. Hildebrandt: Das Unternehmen selbst ist ein anonymes Gebilde - Aussagen treffen kann man nur über Menschen. Und da wünsche ich mir mehr von der Klinsmann-Mentalität auch in schwierigen Zeiten:„Try and you will see!“ Von ihm hört man keine Sätze wie: „Das ist unmöglich, das haben wir noch nie so gemacht.“ Als er aus Amerika kam, wurde er für seine Ideen und Initiativen belächelt, auch als er einen Psychologen engagierte und die deutsche Nationalmannschaft mit Gummitwistbändern trainieren ließ. Doch er hat gewonnen. Nicht ohne Grund wird in den Medien von seinem „Konzept der Nachhaltigkeit“ gesprochen. Klinsmann hatte eine Struktur geschaffen, die auch unabhängig von den Akteuren funktionierte. Niemals sprach er von einer „Chefsache“, sondern immer von einem „Projekt“ des gesamten Führungsstabs der Nationalmannschaft bzw. des DFB. Nach seinem Rücktritt konnten es Joachim Löw und Oliver Bierhoff nahtlos übernehmen und weiterführen. Auch wir sind mit unserem Nachhaltigkeitscouncil, zu dem Vorstand, Betriebräte, Nachhaltigkeitsbeauftragte der Gesellschaften, Verantwortliche aus den Bereichen Personal und Investor Relations gehören, im wahrsten Sinne des Wortes gut aufgestellt.
 
UmweltDialog: Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse der Studie für das Nachhaltigkeitsmanagement bzw. die Marketingstrategie bei Arcandor?
 
Dr. Hildebrandt: Die Arbeit, der Weg zu den Ergebnissen, stärkt den Dialog mit unseren Stakeholdern. Wir zeigen mit dieser Studie, dass es sich lohnt, genauer hinzusehen, Dinge zu hinterfragen. Der Werbeslogan "Da weiß man, was man hat" gilt für das Nachhaltigkeitsmanagement eines Unternehmens  genauso wie für verlässliche Marken. Er drückt einfach, aber bestimmt aus, dass man sofort wissen soll, woran man ist. Dadurch entstehen Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Das Image darf nicht wichtiger sein als ein Produkt und der innerste Kern, der ein Unternehmen zusammenhält. Die berühmte, bis heute gültige Regel von Paracelsus lautet: „… allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist“. Giftigkeit ist also immer eine Frage der Dosis. Austauschbare Anzeigen, beliebige Schaubilder haben keinen nachhaltigen Wert, sie sind tödlich wie viele Substanzen, die in zu großen Mengen verzehrt werden.
 
UmweltDialog: Läuft das Thema Nachhaltigkeit aufgrund der Dauerpräsenz in Medien und Werbung in Ihren Augen Gefahr, zu einer Modeerscheinung zu werden, die schon bald ihren Zenith überschritten hat?
 
Dr. Hildebrandt: Lassen Sie es mich so sagen: Nachhaltigkeit ist nur dann eine Modeerscheinung, wenn sie inhaltlich nicht besetzt ist und von Unternehmen und Agenturen lediglich als Werbung benutzt wird.
Quelle: UD
 
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