BMW Südafrika: Zertifikate, Trommeln und Theater

Mit der Ökozertifizierung ihres Werkes Rosslyn in Südafrika ist es der BMW Group 1999 als erstem und bisher einzigem Automobilhersteller gelungen, alle Produktionsstandorte weltweit mit maßgeschneiderten Umweltmanagement-Systemen auszustatten. Dazu ein Interview mit dem BMW-Umweltmanager Guido Prick.

11.02.2004

Frage: Herr Prick, wie würden Sie den Begriff Umweltmanagement System (UMS) definieren?

Prick: Unter einem Umweltmanagement System (UMS) versteht man die systematische Erfassung, die Priorisierung und das Management der wichtigsten Aspekte der Tätigkeit einer Organisation, die Einfluss auf die Umwelt haben bzw. haben könnten. Dazu gehören insbesondere die Themenfelder Energie- und Wasserverbrauch, Abwasser- und Abfallaufkommen, Luft- und Geräuschemissionen, Bodenbeanspruchung und Gefahrenstoffeinsatz. Aber auch weniger direkte Aspekte wie gesellschaftliche Verantwortung; zum Beispiel das Verhältnis zu unseren Nachbarn in den Werken, oder die Umweltleistung von unseren Partnern, Auftragnehmern und Lieferanten - und dies alles unter normalen, aber auch im Falle extremer Bedingungen wie in einem Notfall. All diese Aspekte müssen wir managen, d.h. die Auswirkungen messen, überwachen und natürlich so weit wie möglich minimieren.

Frage: Welchen Stellenwert nimmt das Umweltmanagement System ein, wenn es generell um den Umweltschutz in der BMW Group Produktion geht?

Prick: Unser konzernweiter Umweltschutz in der Produktion verfolgt in erster Linie das Ziel, bei Entwicklung, Konstruktion, Errichtung und Betrieb von Produktionsanlagen sowie am Ende der Einsatzzeit bei ihrem Rückbau angemessene technische und wirtschaftliche Möglichkeiten zu nutzen, um Ressourcen zu schonen und Belastungen der Umwelt so weit wie möglich zu minimieren - dies umfasst eigentlich alle Tätigkeiten, die mit der Produktion eines Fahrzeuges zusammenhängen. Unsere Umweltmanagement Systeme dienen dabei der systematischen Bearbeitung all dieser einzelnen Zielsetzungen und sind zudem ganz spezifisch auf die lokalen ökologischen und sozialen Umstände des jeweiligen Standortes zugeschnitten.
Frage: Wie wird ein solches System in der Praxis im Werk implementiert?

Prick: Der erste Schritt ist vor Ort die so genannte Aspektanalyse - d.h. wir durchleuchten Schritt für Schritt, an welchen Stellen in der Produktion es welche Auswirkungen auf die Umwelt gibt - dies wird in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Angestellten durchgeführt, die ja tagtäglich mit diesen Auswirkungen zu tun haben. Der nächste Schritt findet dann "auf dem Papier" statt: Wir prüfen, welche gesetzlichen Vorgaben vorliegen und ob all diese eingehalten respektive unterboten werden können, aber auch, ob die richtigen Überwachungsinstrumente zum Einsatz kommen - nicht zuletzt, damit wir gegenüber allen betroffenen Interessensgruppen jederzeit Auskunft geben können.

Frage: Kann man die Formulierung Schritt für Schritt in diesem Fall wörtlich nehmen?

Prick: Voll und ganz. Denn wir gehen mit den jeweiligen Verantwortlichen wirklich Quadratmeter für Quadratmeter durch das Werk. Jedes pfeifende Rohr, jeder Chemikalienbehälter am falschen Platz, jedes potenzielle Umweltproblem wird aufgeschrieben, eine Lösung dafür gefunden und ein Verantwortlicher festgelegt, der die nachhaltige Umsetzung der Problemlösung überwacht. Zudem spielen wir diverse "Was-passiert-wenn-Szenarien" durch - Routinefragen wie die Reinigung der Anlagen bis hin zu Notfallsituationen, z. B. die Notabschaltung einer Anlage. Dabei werden Umweltschutzaspekte und Arbeitsschutzrisiken immer gemeinsam betrachtet, da jedes andere Vorgehen eine Art "Halbblindheit" darstellen würde, die zudem kein Werksangehöriger akzeptieren könnte.Diese vielen einzelnen Umwelt- und Gesundheitsaspekte der Untersuchung - in Südafrika waren es mehr als 1.400 bei der ersten Analyse - werden zusammengetragen und bewertet, um im Anschluss daran eine Priorisierung durchzuführen. Dann werden die einzelnen Punkte gemäß ihrer Priorität mit den jeweiligen zuständigen Mitarbeitern sozusagen "abgearbeitet" und die gemeinsam gefundenen Lösungen selbstverständlich auch kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.
Frage: Wie fangen Sie diese immensen kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede auf, wenn es um die von Ihnen angestrebte weltweit gelebte Nachhaltigkeit geht?

Prick: Das kommt immer auf die jeweilige Situation an, es gibt keine Patentrezepte. Wichtig ist aber, Unvermögen nicht mit Unwillen und Unwissen nicht mit Ignoranz zu verwechseln. Ich stand beispielsweise in Südafrika vor dem Problem, 4.000 einheimischen Angestellten das einzuführende Umweltmanagement System zu erklären. Nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass in Südafrika neben Englisch und Afrikaans neun weitere Stammessprachen gesprochen werden, suchte ich nach einer nicht ausschließlich verbalen Präsentationsform und entschied mich schließlich für ein Industrietheater. Hätte ich nur verbal kommuniziert - beispielsweise in Form einer klassischen Schulungsveranstaltung, wie wir das in Deutschland praktizieren - dann wäre der Großteil unserer Botschaften sicherlich nicht angekommen...

Frage: Wie darf man sich dieses Industrietheater denn vorstellen?

Prick: Wir haben drei in Südafrika aus dem Fernsehen bereits bekannte afrikanische Schauspieler engagiert, die im Werk ein Theaterstück aufführten, das sowohl von den Werksmitarbeitern als auch von den lokalen Partnerfirmen besucht wurde. Der Plot des Theaterstücks bestand darin, dass sich ein einfacher Arbeiter der umweltschädlichen Anordnung seines direkten Vorgesetzten sowie der Ignoranz des Werkschefs widersetzt und sich beispielsweise weigert, umweltschädliche Abwässer in den Fluss abzuleiten, weil er weiß, dass seine Familie flussabwärts lebt - u.a. von diesem Fluss!

Auf diese - von Europäern gerne als "na(t)ive" belächelte - Art und Weise haben wir zwei Botschaften vermittelt: 1. Umweltschutz funktioniert nicht nach dem Top-Down-Prinzip, sondern kann und muss auch von unten initiiert und insbesondere gelebt werden. 2. Umweltschutz betrifft jeden und jeder ist dafür verantwortlich, die Umwelt für sich und seine Nachkommen zu erhalten. Die Resonanz war überwältigend und die Vorstellung - nicht zuletzt aufgrund der Energie, die von der Bühne aufs Publikum übertragen wurde - ein voller Erfolg.

Frage: Sind Sie weitere für das europäische Verständnis eher ungewöhnliche Wege gegangen, um die Menschen in Südafrika vom Umweltmanagement System zu überzeugen?

Prick: Es ging ja erst ein Mal darum, das Bewusstsein für den Umweltschutz zu schaffen und die Arbeiter wachzurütteln, ihre wohlbekannten und eingefahrenen Wege zu verlassen. Wir haben daher Trommler engagiert, die im Werk Rosslyn mit ihren afrikanischen Buschtrommeln durch die Hallen liefen und die Mitarbeiter in den Pausen aufforderten, mitzutrommeln, um gewisse Botschaften zu verbreiten. Das vordergründige Ziel war ganz klar die Interaktivität. Gleichzeitig stehen die Trommeln bei unseren Umweltmanagementsystemen für eine gewisse Philosophie: Ein Vortrommler kommt ins Werk und gibt den Takt vor, der von allen anderen Trommlern übernommen wird, oft sogar selbst interpretiert wird. Irgendwann übernehmen die anderen Trommler und der Vortrommler kann sich zurückziehen, ohne dass die anderen aus dem Takt kommen. Übertragen auf das Umweltmanagement heißt das also: Wenn wir unseren Mitarbeitern unser Verständnis von Umweltbewusstsein mit Fachkompetenz, aber auch mit der richtigen emotionalen Kompetenz und einem gewissen Sendungsbewusstsein weitergeben, dann werden sie in Zukunft den Takt von selbst halten - auch lange, nachdem wir nicht mehr vor Ort sind.
Quelle: UD
 
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