Circular Economy

Wenn der Sand ausgeht

Bauvorhaben verbrauchen weltweit so viel Sand und Kies, dass der Rohstoff in einigen Gegenden bereits knapp wird. Wird er dabei massiv aus dem Meer abgebaut, verändern sich die maritimen Ökosysteme. Das macht Baustoffrecycling und den Einsatz alternativer Baumaterialien notwendig, um den Gebäudebau nachhaltiger zu gestalten.

13.08.2018

Wenn der Sand ausgeht zoom
Sand ist ein wichtiger Rohstoff.

Weil es so viel Sand auf der Welt gibt, wird seine Bedeutung oft unterschätzt. Der Rohstoff steckt in vielen Produkten, die uns täglich umgeben und unerlässlich für uns sind. Er kommt in Zahnpasta, Kosmetika, Arzneimitteln, aber auch in Papier, Mikrochips oder Solarzellen vor. Darüber hinaus ist Sand der wichtigste Bestandteil von Stahlbeton, ohne den wir keine Straßen, Brücken oder Häuser bauen könnten. Laut UN-Umweltprogramm UNEP werden so jährlich bis zu 60 Milliarden Tonnen Sand und Kies gefördert.

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Der Großteil davon wird für Infrastruktur- und Bauvorhaben genutzt. Allerdings taugt nicht jeder Sand als Baustoff. Wüstensand etwa eignet sich kaum für Beton und Landaufschüttungen, da seine Körner durch Erosion rund geschliffen sind und sie daher das Material nicht gut binden können. Das erklärt auch, warum eine Stadt wie Dubai beispielsweise tonnenweise Sand aus Lagerstätten der Ostküste Australiens für seine künstlichen Inseln importieren musste.

Ökosysteme verändern sich 

Eigentlich wird Sand ständig auf natürliche Weise produziert, indem Felsfragmente in Flüssen auf ihrem Weg von den Bergen ins Meer mechanisch zerkleinert und weiter transportiert werden. Dieser Vorgang dauert allerdings Jahrtausende und der aktuelle Verbrauch ist größer als das, was die Natur herstellen kann. Dabei hat der Sandabbau zum Teil gravierende Folgen, die ganze Ökosysteme verändern.

Stammt der Rohstoff beispielsweise aus Meeresvorkommen, haben zuvor Saugbaggerschiffe den Boden metertief abgetragen; mit allen dort lebenden Tieren und Pflanzen. In Küstenregionen verstärkt der Rohstoffgewinn die Erosion, weil u.a. ganze Strände abgebaut werden. Der Rohstoffgewinn in Flussbetten führt wiederum dazu, dass weniger Material an die Küsten gespült wird und die Landschaft sich nicht regenerieren kann. 

Dass der Sandabbau nicht nur ökologischen Schaden anrichtet, sondern auch politische Konsequenzen nach sich zieht, zeigt sich in Asien am Beispiel Singapur. Das kleine Land hat UNEP zufolge mit 5,4 Tonnen pro Jahr weltweit den größten Sandverbrauch pro Kopf. Der Grund: In Singapur hat sich die Bevölkerung innerhalb von wenigen Jahrzehnten derart vervielfacht, dass die Regierung 130 Quadratkilometer Land aufgeschüttet hat, um den notwendigen Platz für die Menschen zu schaffen. Der Sand dafür stammte hauptsächlich aus Indonesien, wo durch den Rohstoffabbau mehrere Inseln verschwanden. Das wiederum führte zu Streitigkeiten über die Abgrenzung von Hoheitsgewässern, wie der Tagesspiegel berichtet.

Situation in Deutschland 

In Deutschland ist der Sandabbau mit ganz eigenen Problemen verbunden: „Aufgrund seiner Entstehung gibt es in Deutschland eine fast unendlich große Menge an Sand, sodass ihre Tonnage nicht genau berechnet werden kann. Nur in ganz wenigen Regionen wie in den Großräumen München oder Stuttgart besteht eine geologische Knappheit. Allerdings hat die geologische Verfügbarkeit von Sand nur zu einem geringen Teil mit der tatsächlichen Situation zu tun“, sagt der Geologe Dr. Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).

Der exzessive Abbau von Sand schadet der Umwelt.
Der exzessive Abbau von Sand schadet der Umwelt.

Denn hierzulande stehen viele Sandvorkommen gar nicht zur Verfügung. Das hat mehrere Gründe: So liegen sie entweder in Naturschutzgebieten oder unter überbauten Flächen. In Baden-Württemberg zum Beispiel sind 85 Prozent der Landesfläche durch diese vorrangigen Nutzungen bereits verplant.

Auch die aktuelle Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt behindert die ausreichende Versorgung mit Baurohstoffen, weiß man bei der BGR. So geben immer weniger Landwirte ihre Flächen für einen Rohstoffabbau frei. In Zeiten niedriger Zinsen und gleichzeitig steigender Preise für Ackerland lohne es sich für sie nicht, ihre Flächen zu verkaufen oder zu verpachten.

Außerdem erschweren langwierige Genehmigungsverfahren für neue Gewinnungsvorhaben und nicht ausreichende Verarbeitungskapazitäten der Baustoffindustrie die Versorgungssituation mit Baurohstoffen. Als Folge davon traten im Jahr 2017 erstmals im Ruhrgebiet Versorgungsengpässe mit Baurohstoffen für den Straßenbau auf. Für 2018 rechnen die Industrieverbände mit weiteren Lieferengpässen, die auch andere Regionen Deutschlands betreffen könnten.

Holz kann jetzt auch hoch 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um mit der drohenden Sandknappheit umzugehen und die bestehenden Rohstoffvorkommen zu schonen. Dazu gehört das Recycling von Beton, um das Material erneut zu verwenden. Dem Umweltbundesamt zufolge ließen sich bis zum Jahr 2050 mehr als ein Drittel der Sand- und Kiesmengen durch aufbereitete Abbruchmaterialien ersetzen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, weil die Wiederverwertung von Bauschutt aufwendig und teuer ist. Das Problem: Wenige denken beim Bauen das Recycling mit und verwenden die Materialien so, dass sie im Nachhinein nur schwer voneinander zu trennen sind.

Bagger in einer Sandkuhle

Wenn also das Baustoffrecycling noch nicht die benötigte Menge an einsetzbaren Materialien liefert, müssen Alternativen her, um künftig genügend Wohnungen und Häuser bauen zu können. Und das im großen Stil. Wie das funktionieren kann, zeigen die Fortschritte beim Bau von Holzhäusern. Hier hat sich jüngst ein richtiger Wettbewerb der Superlative entwickelt, bei dem mehrere Bauherren versprechen, das jeweils höchste Gebäude ihrer Art zu errichten. 

Ein Beispiel dafür ist das Wohngebäude Skaio, das bis 2019 in Heilbronn fertiggestellt wird. Es besteht aus insgesamt zehn Geschossen und soll Platz für 60 Mietwohnungen bieten. Nach Angaben der ausführenden Firma Züblin Timber ist es mit 34 Metern Höhe das erste Holzhochhaus Deutschlands. Das Gebäude wird in einer sogenannten Holz-Hybrid-Bau- weise errichtet: Wände und Decken sind dabei aus Holz und werden den überwiegenden Teil der Konstruktion ausmachen. Ganz ohne Beton kommt die Hybrid-Konstruktion aber nicht aus. Sockelgeschoss und Treppenhaus bestehen jeweils aus Stahlbeton. Das verlangt das deutsche Baurecht aus Brandschutzgründen.

Ein großer Vorteil der Holzbauweise ist die vergleichsweise kurze Bauzeit; die Holzbauteile werden weitgehend vorgefertigt und vor Ort lediglich montiert. „Wir bauen ein Stockwerk pro Woche“, sagt Markus Brandl, Projektleiter bei Züblin Timber. Die Stützen der beiden Neubauten bestehen aus Brettschichtholz. Für die Holzwände und -decken verwendet das Unternehmen ausschließlich Fichtenholz – überwiegend aus deutschen Wäldern und durchweg versehen mit PEFC-Zertifikat, dem Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft. 

Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen haben den Vorteil, dass die Produktion relativ wenig Energie benötigt. Stammen sie darüber hinaus aus der Region, ist auch ihr Transport energie- und emissionsarm. Neben Holz testen Wissenschaftler noch weitere nachwachsende Materialien wie Hanf, Stroh, Schafwolle oder Seegras, die künftig beim Bauen vermehrt Einsatz finden können. Hier allerdings in erster Linie als Dämmstoffe.

Wenn das mal nicht aufweicht 

Auch Häuser aus Altpapier sind möglich, wie die Schweizer Firma Ecocell mit ihrem Bausystem zeigt. Sowohl feuer- als auch wasserresistent, besteht der Kern aus einer Wabenstruktur aus 100 Prozent Recyclingpapier mit einer hauchdünnen Schicht aus Zement. Im Sandwichverbund mit Holz ergibt die Betonwabe die erste statisch belastbare Isolation und zugleich tragende Hauswand in einem – ohne dabei auf die üblichen Baumittel wie Beton, Kies oder Sand zurückgreifen zu müssen. 

Gebaut wird mit fertigen Wandelementen, auch Baukastenprinzip genannt. Dies macht den Aufbau nicht nur schnell, sondern auch preiswert. Die Wandelemente werden nach dem Nut- oder auch Federprinzip verbunden und sind somit wieder lösbar. Ein weiterer Vorteil: die Häuser sind erdbebensicher. So können die Bausätze in Containern verschickt und für die Katastrophenhilfe in anderen Ländern eingesetzt werden. Auch der Hausbau hierzulande für Flüchtlingsunterkünfte könnte so vereinfacht und vorangetrieben werden.

(H)ausgedruckt 

Ohne Bagger, Bauschutt und Gerüst – Häuser könnten in Zukunft einfach und schnell mit einem 3-D-Drucker entstehen. Das klingt unglaublich, ist aber Realität. Ein Vorzeigeobjekt dafür ist die chinesische Stadt Suzhou in der Nähe von Shanghai. Die Stadt hat mehr als zehn Millionen Einwohner – und einen enormen Engpass an Wohnfläche. Auf einem Industriegelände der Millionenstadt steht seit 2015 ein Prototyp für ein ausgedrucktes Haus. Mit einem selbst entwickelten 3-D-Drucker setzte das Bauunternehmen Winsu die einzelnen Elemente zu 1.100 Quadratmetern Wohnfläche auf zwei Stockwerken zusammen. Insgesamt soll das nur zwei Tage gedauert haben. Die Häuser werden schichtweise ausgedruckt und als einzelne Elemente auf herkömmliche Stahlträger gesetzt und dann zusammengefügt. Dabei wird kein Baustoff verschwendet. Die Wände sind hohl und bestehen aus Rohstoffresten und Bauabfällen. Für den Bau verwendet Winsu ausschließlich recycelten Beton.

Dieser Artikel ist im Original im UmweltDialog-Magazin „Nachhaltig Bauen & Wohnen“ im Mai 2018 erschienen.

Mehr zum Thema:

UD Magazin
Quelle: UmweltDialog
 

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