Arbeitsplatz

Bauhaus trifft Business

Der Mies van der Rohe Business Park in Krefeld ist weltweit der einzige Bauhaus-Industriepark, an dem der wohl bedeutendste Architekt der Moderne gebaut hat. Heute soll der Park zum Wahrzeichen kreativen Wachstums in der ehemaligen Samt- und Seidenstadt werden. Der nachhaltige Teppichhersteller Interface knüpft an die Tradition der Textilkultur an und hat seinen Hauptsitz hierher verlegt. Mit einem ganz besonderen Design-Konzept wurde der Bauhaus-Campus zum nachhaltigen Arbeitsplatz.

31.03.2017

Bauhaus trifft Business

Schon der erste Blick zeigt die unverkennbare Handschrift Mies van der Rohes: Klare, geometrisch angeordnete Gebäude bilden diesen einzigartigen Campus. Im Kontrast dazu steht direkt an der Zufahrt ein imposantes Kesselhaus aus rotem Backstein. Mit seinem 30 Meter hohen Schornstein lässt es die schlichen Bauhaus-Kuben, Pförtnerhaus und den Komplex aus Uhrenturm, vierstöckigem Hauptgebäude und der lichtdurchfluteten Shed-Halle mit der namensgebenden schuppenförmigen Fensterdachkonstruktion fast modellhaft klein wirken. Der Industriepark wurde in den 1930er Jahren von Ludwig Mies van der Rohe errichtet und war lange Zeit in Besitz der Vereinigten Seidenwebereien AG.

Heute entsteht hier durch Restaurierung und Umnutzung der Gebäude ein moderner Business-Park. Die Unternehmen, die ihren Firmensitz hierher verlegen, helfen dabei, das Kulturerbe nachhaltig instand zu halten. Für den Teppichhersteller Interface ist es der perfekte neue Standort, um seine Zukunft am deutschen Markt zu gestalten. Die Bauhaus-Architektur hat das Unternehmen mit seinem eigenen Innenraum-Design so kombiniert, dass eine ansprechende und besonders gesunde und nachhaltige Arbeitsumgebung entstanden ist, die sich positiv auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter auswirken soll. Die Idee dabei: Innen- und Außengrenzen verschwimmen, indem die Natur in den Arbeitsplatz integriert wird. Das passt in gewisser Weise auch zum architektonischen Konzept des „offenen Grundrisses“, den Mies van der Rohe bei der Konstruktion seiner Gebäude im Sinn hatte. Als Textilunternehmen gibt Interface der ehemaligen Seidenweberei zudem ihre frühere Bestimmung zurück.

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Das einzigartige Erbe des Bauhaus-Industrieparks

Die weitgehend im Original erhaltenen Gebäudebereiche geben Aufschluss über ihren ehemaligen Zweck und liefern einmalige Einblicke in den Perfektionismus des weltbekannten Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe.
Bei den Restaurierungsarbeiten entdeckte man etwa alte Baupläne und weitere Dokumente, darunter Korrespondenzen von Mies van der Rohe mit seinem Schüler Erich Holthoff, der am Bau beteiligt war. Er war es auch, der nach Mies van der Rohes Emigration in die USA den Komplex zu Ende baute. Anhand der Dokumente rekonstruieren die Experten nun, welche Bauphasen es gab und wo die Gebäude etwa nach Bombeneinschlägen im zweiten Weltkrieg zerstört und wieder aufgebaut wurden. Der Entwurf eines Industrieparks ist einzigartig in Mies van der Rohes Werk. Den Auftrag erhielt der damals noch junge Architekt aus Berlin von den Inhabern der Vereinigten Seidenwebereien. Die Inhaber des Unternehmens hatten ihn vorher bereits damit beauftragt, für sie die berühmten Häuser Esters und Lange am Krefelder Stadtrand zu bauen.

So außergewöhnlich der Auftrag für den Bau eines Industriepark seinerzeit gewesen sein mag, so typisch ist die Handschrift, die Mies van der Rohe hier hinterlassen hat. Charakteristisch sind beispielsweise die Raster aus Metall und Beton: Diese ziehen sich als orthogonale Verbindungslinie vom früheren Gebäude für Herrenfutterstoffe zur großen Produktionshalle mit ihren nach Norden geneigten, kubischen Shed-Dächern. Auch von Innen erfassen Kenner seine Philosophie der räumlichen Logik unmittelbar. Nostalgisch muten hier die rostbraunen Ventilatoren an, die sich lautlos in den Giebeln drehen; alte Leuchtstoffröhren hängen noch von der Decke, einige Fliesen sind erhalten und stehen unter Denkmalschutz. Gleichzeitig wirkt alles zeitlos. Der offene Grundriss eröffnet kreative Spielräume, wie man die Räume heute optimal nutzen kann. Das minimalistisch gehaltene Trägerstützwerk aus Stahl und Beton ermöglicht eine maximale Flexibilität des Raumes, die Mies van der Rohe stets betont hat. Durch offene Glasfronten wird er optisch auch nach der Restauration erhalten, an einigen Stellen kann man bereits in die neu eingerichteten und bezogenen Büros blicken. Die Umnutzung des Gebäudes ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, um den Industriepark als kulturelles Erbe erhalten zu können, so die Experten.

Nachhaltige Raumgestaltung verbindet Tradition und Modernes

Wer heute den Campus betritt, biegt beinahe automatisch zum ehemaligen Pförtnerhaus ab, das der Interface Deutschland GmbH seit Oktober 2016 als Firmensitz dient. Durch seine exponierte Lage und den Einblick in den offen gestalteten Empfangsbereich wirkt es sofort einladend. Die sonst kühlen und klaren Muster des Bauhaus-Stils werden im Innenraum bewusst durch ein heute modernes Design aufgebrochen. Obwohl das der klassischen Bauhaus-Ordnung diametral gegenübersteht, scheint das für die Architekten beim Wiederaufbau des 1930er Jahre-Gebäudes kein Widerspruch gewesen zu sein. Im Gegenteil: Eine Nutzung im Spiegel der Zeit werde dem Bauhaus-Geist absolut gerecht, betont Tanja Künstler, Concept-Designerin bei Interface. Sie war an der Innenausstattung des neuen Hauptsitzes beteiligt – sonst übernimmt sie diese Aufgabe für die Kunden des Unternehmens.

Wasserwand Interface und Rug mit Slogan vom Interface-Gründer Ray Anderson
Wasserwand Interface und Rug mit Slogan vom Interface-Gründer Ray Anderson

Eines ihrer Spezialgebiete sind die Gestaltungsprinzipien von Biophilic Design nach Terrapin Bright Green, die hier als nachhaltiger Ansatz der Arbeitsraum-Gestaltung angewandt werden. Was das bedeutet, lässt ein erster Blick in den öffentlichen Bürobereich ahnen: Eine Wasserwand im Treppenbereich plätschert vom Erdgeschoss in den Keller. Sie sorgt für ein angenehmes Raumklima und schirmt den hinteren Bereich des Trennwand-losen, offenen Raumes etwas ab. Um Wasserwand und Treppenabgang herum folgt der Blick den typischen rechtwinkligen Rastern in der Beleuchtung, den Deckenstützen, den original erhaltenen Sprossenfenstern und Fliesen. Rugs, das sind spezielle Zuschnitte von Teppichfließen, unterstreichen die klaren Linien und machen sie gleichzeitig freundlicher. Stilechte Loungemöbel stehen im Empfangsbereich – von hier aus überblickt man den gesamten Campusteil, den Mies van der Rohe errichtet hat.

Blick von der Lounge auf die von Mies van der Rohe errichteten Gebäude
Blick von der Lounge auf die von Mies van der Rohe errichteten Gebäude
Interface Besucher-Lounge
Interface Besucher-Lounge
Mies van der Rohe Shed-Halle in Krefeld
Mies van der Rohe Shed-Halle in Krefeld
 
 
Blick von der Lounge auf die von Mies van der Rohe errichteten Gebäude
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Interface Besucher-Lounge
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Mies van der Rohe Shed-Halle in Krefeld
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Biophilic Design: Von der Natur inspiriert

Immer wieder wird der Blick von organischen Formen, Farben und Materialien verwirbelt, die die klaren Bauhausstrukturen auflösen. Genau das ist nach dem Biophilic Design-Ansatz wichtig, besonders, da wir in Städten meist nur noch von kühlen Betonflächen umgeben sind. Für viele Menschen ist es aber frustrierend, weniger oder kaum noch Kontakt zur Natur zu haben. Tanja Künstler und Interface Marketing Managerin Anne Salditt erklären, wie genau das Biophilic Design den negativen Folgen entgegenwirkt, die das auf den Organismus haben kann. Eine natürlich gestaltete Arbeitsumgebung soll nachweislich dafür sorgen, dass das Stresslevel gesenkt wird, Geist sowie Körper gesünder und aktiver sind – und damit auch kreativer und produktiver.

Verschiedene medizinische Untersuchungen und auch das Bauchgefühl weisen auf die positiven Effekte hin. „Schon ein zehnminütiger Spaziergang im Wald entspannt uns, macht uns konzentrierter. Oder, um es ganz kurz zu sagen: Die Natur tut uns gut“, erklärt Tanja Künstler. „Das Nächstliegende beim Biophilic Design ist natürlich, die Natur selbst in den Raum zu holen, zum Beispiel durch Pflanzen oder Wasser“, fährt Künstler fort. Das Design-Concept umfasse jedoch weitaus mehr, als ein paar Zimmerpflanzen in den Raum zu stellen. Zu den insgesamt 14 Mustern des Biophilic Design zählen auch Analogien der Natur, die sich hier in biomorphen Strukturen einer Wand aus echten Schiefersteinen wiederfinden, oder in dem nachempfundenen Moosfeld aus Teppichfaser am Treppenauge zum Kellergeschoss.

Biophilic Design am Treppenaufgang bei Interface
Biophilic Design am Treppenaufgang bei Interface

Etwas abstrakter, aber umso wirksamer wird das Konzept bei der Raumaufteilung: „Wir mögen den Überblick (prospect) über weite Räume und Flächen, gleichzeitig besteht ein Bedürfnis nach Rückzugsorten (refuge)“, erklärt Anne Salditt und zeigt auf einige der Rückzugsorte im sonst übersichtlichen Gebäude. Anregend sollen auch das Mysterium (mystery) und das Risiko (risk) wirken, etwa weil es die Neugierde weckt, wenn man sich fragt, was sich hinter der Wasserwand verbirgt. Eine natürliche Haptik und Optik – echt oder nachgeahmt – wirken ebenfalls unmittelbar auf unsere körperlichen Reflexe. Die Bodenbeläge von Interface beruhen auf genau diesem Prinzip – sie sind zwar keine echte Natur, wohl aber eine Analogie – ein Untergrund aus unterschiedlich dicken Steinen etwa. Allein das Gefühl der verschiedenen Höhen unter der Fußsohle regt das Gehirn an und steigert die Konzentration.

Langfristig soll das Design-Konzept helfen, nicht nur die Kreativität und das Wohlbefinden zu steigern, sondern auch die Krankheitsausfälle der Mitarbeiter zu reduzieren. 2012 wurde der volkswirtschaftliche Verlust durch Krankheiten allein in Deutschland auf 225 Milliarden Euro geschätzt. Um die tatsächlichen Auswirkungen des Biophilic Design bei Interface zu belegen, werden aktuell Messungen und Umfragen bei den Mitarbeitern zu Stresslevel und Gesundheit durchgeführt und mit den Vorjahreswerten am alten Standort verglichen. „Für unser neues Interface-Headquarter in Deutschland hat das Biophilic Design Concept aber noch einen weiteren entscheidenden Vorteil“, betont Marketing Managerin Anne Salditt. „Wir wollen einerseits eine gesunde Arbeitsatmosphäre schaffen. Andererseits nutzen wir das Büro in dieser exponierten Lage auch als Showroom für unsere Kunden. So können wir zeigen, wie man das Designkonzept umsetzen kann.“ Interface versteht sich eben nicht nur als ökologisch-nachhaltiger Teppichfliesenhersteller, sondern auch als Design-Verkäufer, der für seine Kunden das jeweils passende Biophilic-Design zusammenstellen kann.

Quelle: UmweltDialog
 

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