Ärger in Asien - Nokias Zulieferbetriebe in der Kritik

Eigentlich gilt der Mobilfunkhersteller Nokia als vorbildliches Unternehmen in Sachen nachhaltiges Engagement. Doch jetzt klagt ihn eine niederländische NGO schwer an: Der Vorwurf lautet, dass die Finnen katastrophale Arbeitsbedingungen in asiatischen Zulieferbetrieben tolerieren. Bei Nokia wehrt man sich und hat Aufklärung versprochen.

31.01.2007

Mobiltelefone werden oft unter miserabeln Arbeitsbedingungen hergestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Branchenbericht der niederländischen Nichtregierungsorganisation „Centre for Research on Multinational Corporations", kurz SOMO. Sie stellte durch Untersuchungen vor Ort fest, dass die Arbeiter in Produktionsstätten in China, Thailand, Sri Lanka und Indien oft giftigen Chemikalien ausgesetzt sind, sich nicht gewerkschaftlich organisieren dürfen und für Hungerlöhne arbeiten müssen. Betroffen sind alle Größen der Handybranche: Nokia, Motorola, Samsung, LG und SonyEricsson.
 
SOMO-Feldforscher Joseph Wilde erläutert: „Besonders in chinesischen und thailändischen Fabriken, wo viele Komponenten der Mobiltelefone hergestellt werden, werden internationale Arbeits-, Sicherheits- und Gesundheitsstandards verletzt. Initiativen der Angestellten, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, werden von den Fabrikbesitzern vereitelt.“ SOMO erhebt den Vorwurf, dass Mindestlöhne und Urlaubs- sowie Krankheitstage oft nicht gezahlt werden. Auch die Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen seien unangemessen: die Arbeiter erhalten keine Schutz vor gefährlichen Chemikalien oder Trainingsmaßnahmen zum korrekten Umgang mit den Giftstoffen. Obwohl viele der Zulieferbetriebe auf dem Papier anderslautende Regelwerke haben, so würden diese jedoch oft nicht befolgt. Vor allem gilt dies im Dickicht der Unterauftragnehmer, also der Zulieferer der Zulieferer.

Arbeitnehmerrechte missachtet

Die niederländische NGO untermauert ihre Vorwürfe mit einer Reihe konkreter Beispiele: Die SOMO-Mitarbeiter beobachteten in einem Werk in China, welches Linsen für Motorola herstellt, dass dort neun Mitarbeiter durch gefährliche Chemikalien vergiftet wurden. Eine der Betroffenen sei eine schwangere Frau gewesen, die daraufhin eine Fehlgeburt erlitt. Die Werksleitung hätte die medizinische Versorgung der Betroffenen hinausgezögert.

In einem anderen Werk in China erhielten die Arbeitnehmer nach SOMO-Recherchen einen Stundenlohn von gerade einmal 33 Cent/Stunde: Zwar zahle die Firma Giant-Wireless formal einen Monatslohn von 150 US$, aber die Arbeiter müssten neben der vereinbarten 42 Stunden-Woche beinahe nochmals so viele unbezahlte Überstunden machen.

An einem Standort in Thailand, wo Motoren für Nokia hergestellt werden, kommen die Mitarbeiter mit Lötdraht in Berührung. Diese müssen sich, so die SOMO-Studie,  Schutzmasken und Handschuhe selbst kaufen, weil der Betrieb die „Mehrkosten“ sparen will. Lötdraht enthält zu 40 Prozent Blei, was bekannt für seine Gesundheitsgefährdung ist. Statt jedoch vernünftiger Schutzausrüstung werde an die Mitarbeiter Milch verteilt, um die Giftstoffe aus dem Blut zu filtern.
 
Nokia wehrt sich gegen die Kritik...

Die Studie hat Nokia aufgeschreckt. Kristina Bohlmann, Leiterin der Unternehmenskommunikation von Nokia in Deutschland, kontaktierte verschiedene Verlagshäuser und betonte, Nokia begrüße die Arbeit von SOMO und nehme die Kritik sehr ernst. Allerdings seien einige Vorwürfe wie etwa der des Gewerkschaftsverbots falsch. Bohlmann dazu in den Medien: „Es steht allen Nokia-Mitarbeitern offen, einer Gewerkschaft beizutreten oder an gewerkschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen."

Auch bei den Zulieferbetrieben zeigt man sich teilweise über die Vorwürfe überrascht: Die thailändische Firma Namiki Precision etwa hat nach eigenen Angaben entlastende Unterlagen von offiziellen Stellen wie dem Arbeits- und Gesundheitsministerium vorgelegt, die die Vorwürfe entkräften würden. Nokia wiederum hat angekündigt, allen Vorwürfen nachzugehen und Unterlagen anzufordern. Zudem machte Nokia jetzt bei allen Zulieferern Ad-hoc-Besuche, um die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu überprüfen, betonte Bohmann. Diese Überprüfungen werden auch die Sub-Unternehmen „auf sämtlichen Ebenen" einschließen. „Wir erwarten Aufklärung", betont Kristina Bohlmann.

...und verspricht Aufklärung

„Alle unsere internationalen Zulieferer müssen einen Kriterienkatalog mit 80 Punkten erfüllen, bevor Sie für Nokia produzieren dürfen", sagt die Unternehmenssprecherin im Gespräch mit Xonio.com. Als Mitglied des UN Global Compact sowie aufgrund eigener Selbstverpflichtungen nehme man Aspekte wie ökologische und soziale Arbeitsbedingungen sehr ernst: Bei der Auswahl von Zulieferbetrieben und auch deren Zulieferern spiele dies eine zentrale Rolle.

Über die rasche und eindeutige Reaktion freut man sich auf Seiten des  „Centre for Research on Multinational Corporations": „Wir sind froh, dass Nokia den Bericht ernst nimmt", sagte Esther de Haan von SOMO gegenüber dem Fachinformationsdienst heise. „Wir haben mit den Markenkonzernen Interviews geführt und ihnen unsere Ergebnisse vorab zugeschickt. Die Stellungnahme von Nokia und den anderen Handy-Marken werden im Bericht enthalten sein." De Haan betonte, dass die jetzt bekannt gewordenen Missstände nur Beispiele für viele andere Vorfälle seien, die es in anderen Geschäftsbereichen der Mobilfunkbranche gebe. Allerdings sei es nicht der Wunsch der NGO, dass die Handyhersteller jetzt ihre Verträge mit den betroffenen Werken kündigten und die Mitarbeiter so ihre Jobs verlören. Vielmehr sollten die Auftraggeber mit ihren Zulieferern zusammenarbeiten, um die Situation vor Ort zu verbessern, so der heise-Bericht. 

Auch in der finnische Zentrale hat man reagiert: Dort heißt es, dass die derzeitigen Nachhaltigkeits- und Produktionsstandards vor allem in Entwicklungsländern ausgebaut werden sollen. So will Nokia künftig von allen Zulieferbetrieben ein klares Bekenntnis zu Code of Conducts einfordern. Zudem sollen die Betriebe nachweisen, dass sie diese Standards ihren Mitarbeitern mitgeteilt haben und diese wiederum die Möglichkeit haben, sich ungestraft zu beschweren. 

Mit Hilfe dieses offensiven Umgangs angesichts der Vorwürfe hofft der Mobilfunkhersteller seinen Reputationsschaden zu begrenzen. Ungeachtet der Kritik ist Nokia nämlich eigentlich ein Vorreiterunternehmen im Bereich Nachhaltigkeit: Zahlreiche Ratings sowie angesehene Umweltschutzgruppen wie der WWF bescheinigen dem Unternehmen seit Jahren einen hohen Grad an Verantwortungsbewusstsein. Gerade vor diesem Hintergrund kamen für viele Beobachter die Ergebnisse der SOMO-Studie daher überraschend.

Das „Centre for Research on Multinational Corporations" (SOMO) ist eine Nichtregierungsorganisation, die bereits 1973 gegründet wurde, um den wachsenden Einfluss internationaler Konzerne zu beobachten. Die Zivilgesellschafter wollen die Auswirkungen der Strategien und Produktionsweisen der Konzerne auf die Umwelt und die Länder der Dritten Welt aufzeigen. Finanziert wird die Organisation u.a. von der Europäischen Union und dem holländischen Wirtschaftsministerium.
Quelle: UD
 
Newsletter

Unsere Verantwortung/Mitgliedschaften

Logo
Serverlabel
The Global Compact
Englisch
Gold Community
Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
Caring for Climate

© macondo publishing GmbH
  Alle Rechte vorbehalten.

 
Lasche