Biodiversität

Artenvielfalt in Deutschland gefährdet

Das Bundesamt für Naturschutz hat im Mai 2015 zum ersten Mal einen umfassenden Artenschutz-Report vorgestellt. Die Behörde untersuchte dafür alle in Deutschland lebenden Tier-, Pflanzen- und Pilzarten - mit alarmierenden Ergebnis: Ein Drittel aller Arten sind vom Aussterben bedroht. Hauptverursacher ist die intensive Landwirtschaft. Das Bundesamt schlägt in einem Acht-Punkte-Programm konkrete Maßnahmen vor.

27.05.2015

Artenvielfalt in Deutschland gefährdet zoom

Der Report gibt einen Überblick, wie viele Arten in Deutschland leben, wie hoch der Anteil der gefährdeten Arten ist und wie sich die Artenvielfalt in den letzten Jahren entwickelt hat. Er macht aber auch deutlich, wo im Artenschutz Erfolge zu verzeichnen sind und worauf diese sich zurückführen lassen. Damit liefert der Artenschutz-Report des Bundesamts für Naturschutz (BfN) eine wichtige Analyse, um gefährdete Arten identifizieren und schützen zu können. Das BfN legt den Fokus auf acht Bereiche, in denen ein dringender Handlungsbedarf festzustellen ist und schlägt zentrale Maßnahmen zum Artenschutz vor.

„Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend, denn ein Drittel der auf Roten Listen erfassten Arten ist im Bestand gefährdet und weitere Arten sind sogar schon ausgestorben. Damit wird bislang auch das nationale Ziel verfehlt, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten“, fasste BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel den Artenschutz-Report zusammen. „Wir müssen dringend unsere Anstrengungen verstärken, um den Artenrückgang zu stoppen“, so Jessel.

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Viele Arten bereits ausgestorben

Deutschland beherbergt rund 48.000 Tierarten, 9.500 Pflanzen- und 14.400 Pilzarten. In der Roten Liste Deutschlands wurden mehr als 32.000 heimische Tiere, Pflanzen und Pilze hinsichtlich ihrer Gefährdung untersucht. Dabei zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Rund 31 Prozent wurden als bestandsgefährdet eingestuft, vier Prozent sind bereits ausgestorben. Von den aktuell untersuchten 11.000 Tierarten sind 30 Prozent bestandsgefährdet und fünf Prozent ausgestorben. Fast 28 Prozent der Wirbeltierarten, die Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere umfassen, sind aktuell bestandsgefährdet. Bei den wirbellosen Tieren, zu denen beispielsweise die Insekten gehören, gelten sogar 45,8 Prozent der bislang 6.057 untersuchten Arten und Unterarten als bestandsgefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. Außer bei den Säugetieren sind bei diesen Zahlen die marinen Organismen nicht berücksichtigt. Die aktuelle Situation der Brutvogelarten hat sich in den letzten Jahren spürbar verschlechtert: Über die letzten zwölf Jahre nahmen 34 Prozent der Brutvogelarten in ihrem Bestand mehr oder weniger stark ab. Über 23 Prozent der Zugvogelarten sind bestandsgefährdet und stehen auf der Roten Liste der wandernden Vogelarten.

Zerstörung von Lebensräumen

An vorderster Stelle der Ursachen für die Gefährdung der Arten stehen intensive Formen der Landbewirtschaftung. Weitere wesentliche Gefährdungen liegen in der Forstwirtschaft, Wasserbau und Gewässerunterhaltung, Baumaßnahmen sowie Sport- und Freizeitaktivitäten. Unter den 25 wichtigsten Gefährdungsursachen dominieren damit Maßnahmen, die mit einer Intensivierung der Nutzung von Natur und Landschaft und damit einhergehenden Veränderungen bzw. der Zerstörung der Lebensräume verbunden sind. Aktuell spielt der Klimawandel noch keine große Rolle als Gefährdungsursache. Das BfN geht jedoch davon aus, dass dieser Einfluss bei fortlaufender Klimaänderung zunehmen wird. Ursächlich für die Gefährdung der marinen Organismen sind vor allem die Fischerei, Lebensraumveränderungen, Schadstoffeinträge und Aquakulturen.

Um den Artenrückgang zu stoppen, sind weiterhin große Anstrengungen im Artenschutz erforderlich. Das BfN fordert gezielte Einzelmaßnahmen für besonders gefährdete Arten und solche Arten, für deren Erhaltung Deutschland eine besondere Verantwortung hat. Dringend notwendige artübergreifende Schutzmaßnahmen umfassen nach Einschätzung des BfN die Erhöhung der Lebensraum- und Strukturvielfalt in der Landschaft, wie beispielsweise den Erhalt von Grünland, die Einrichtung ungenutzter Pufferstreifen um Landschaftselemente und Äcker, naturnahen Waldbau, Wiedergewinnung von Auenflächen durch Deichrückverlegungen, Wiedervernässung von Mooren und eine ökosystemverträgliche, nachhaltige Fischerei. Zudem ist das Vorhandensein nutzungsfreier Wälder unverzichtbar, um das gesamte Spektrum der Artenvielfalt zu erhalten. Denn zahlreiche Flechten, Moose und Pilze oder Totholz bewohnende Käfer sind für ihren Fortbestand auf solche Waldformen angewiesen.

Erfolge durch Artenschutzmaßnahmen

Ungeachtet der auch weiterhin notwendigen Anstrengungen gibt es aber auch sichtbare Erfolge beim Schutz einzelner Arten. Sie sind vor allem dort festzustellen, wo gezielte Artenschutzmaßnahmen zum Einsatz kamen (etwa bei Vogelarten wie dem Schwarzstorch oder dem Seeadler), wo Schutzgebiete wichtige Rückzugsräume bildeten und zudem gut gemanagt wurden (z.B. beim Schutz der Flussperlmuschel) oder wo durch vertragliche und hinreichend finanziell ausgestattete Maßnahmen Naturschutzkonzepte in der Agrarlandschaft umgesetzt wurden (etwa bei Wiesenbrüterprogrammen oder Ackerrandstreifenprojekten, die Vogelarten wie der Uferschnepfe oder dem Braunkehlchen und Wildkräutern wie der Kornblume zugutekamen). Dies belegt, dass sich gezielte und langfristige Naturschutzmaßnahmen auszahlen. Insbesondere bei einigen Tierarten wie Biber, Wildkatze und Wolf konnten strenge gesetzliche Schutzbestimmungen, Maßnahmen zur Verbesserung bzw. Neuschaffung ihrer Lebensstätten oder Wiederansiedlungsprojekte deutliche Erfolge erzielen. So wird der aktuelle Bestand an Wildkatzen in Deutschland derzeit wieder auf 5.000 bis 7.000 Tiere geschätzt. Das BfN sieht hierin eine Bestätigung bisheriger Schutzbemühungen, die auch weitere Maßnahmen sinnvoll erscheinen lassen, zumal von solchen Schlüsselarten zahlreiche weitere Tier- und Pflanzenarten profitieren.

Acht-Punkte-Programm des Bundesamts für Naturschutz zum Schutz der Arten

1. Ausbau der bestehenden Artenschutzprogramme

2. Weitere Vernetzung von Schutzgebieten und Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten für Arten mit besonders
spezialisierten Lebensraumansprüchen.

3. Stärkung der ökologischen Komponente der europäischen Agrarförderung
(GAP). Dazu gehören beispielsweise ein bundesweites vollständiges Grünlandumbruchsverbot sowie eine sinnvolle Ausgestaltung der ökologischen Vorrangflächen innerhalb der GAP.

4. Erhöhung des Anteils nutzungsfreier Wälder, um das in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt festgelegte Ziel von einem Anteil von 5 Prozent an der Waldfläche zu erreichen.

5. Vernetzung der Lebensräume durch naturnahe Landschaftselemente. Einrichtung eines bundesweiten Biotopverbunds auf 10 Prozent der Fläche eines jeden Bundeslandes (Gesetzgrundlage: BNatSchG (§§ 20, 21)

6. Flüsse wieder durchgängig gestalten. Die Fläche durchströmter Auen ist bundesweit zu
vergrößern.

7. Voraussetzungen für tatsächliche Rückzugsgebiete in den marinen Schutzgebieten  der Ausschließlichen Wirtschaftszone schaffen. Dazu ist eine nachhaltige Fischerei notwendig.

8. Schaffung einer besseren Datengrundlage über die Gefährdungssituation bzw. den Erhaltungszustand der Schutzgüter schaffen, fortführen und weiterentwickeln.

Quelle: UD/pm
 

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