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Kieler Subventionsbericht: Bund öffnet Geldbeutel immer weiter

Die Finanzhilfen des Bundes sind 2017 laut Haushaltsplanung gegenüber dem Vorjahr um über zehn Prozent angestiegen, auf insgesamt gut 55 Milliarden Euro. Steuervergünstigungen wurden in Höhe von 62 Milliarden Euro gewährt. Größte Subventionsposten sind Ausgaben für den Verkehrssektor und Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung. Subventionen in Höhe von knapp 18 Milliarden Euro könnten sofort ersatzlos gestrichen werden, größter Posten hier sind diverse Zuschüsse und Vergünstigungen für die Landwirtschaft.

17.04.2018

Kieler Subventionsbericht: Bund öffnet Geldbeutel immer weiter
Deutschland hat im Jahr 2017 zehn Prozent mehr für Subventionen ausgegeben.

Der deutsche Staat gibt immer mehr Geld für Subventionen aus. Die Finanzhilfen des Bundes, Steuervergünstigungen und weitere Einnahmenverzichte summierten sich 2017 auf insgesamt rund 118 Milliarden Euro. Dies geht aus dem jetzt veröffentlichtenKieler Subventionsbericht des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) hervor, in dem der Subventionsbegriff sehr viel weiter definiert wird als im amtlichen Subventionsbericht der Bundesregierung, der insgesamt nur rund 25 Milliarden Euro an Subventionen ausweist.

Erstmals konnten dabei aber die autonomen Finanzhilfen der Länder nicht mehr erfasst werden. Mit der teilweisen Abkehr von der kameralistischen Einnahme-Ausgabe-Rechnung und dem Übergang zur doppelten Buchführung sind in den Haushaltsplänen der Länder oft keine Daten zu den einzelnen Einnahmen und Ausgaben mehr enthalten. Das IfW kann daher nur noch die Finanzhilfen des Bundes und die Steuervergünstigungen insgesamt dokumentieren.

Subventionsfreude zugenommen

Demnach stiegen die Finanzhilfen des Bundes, einschließlich der Sonderhaushalte und Zahlungen an die Länder für Subventionszwecke seit 2015 um über zehn Milliarden Euro an, von 44,8 Milliarden Euro auf 50 Milliarden Euro im Jahr 2016 und 55,3 Milliarden Euro im Jahr 2017. Dies entspricht einem Plus von insgesamt 23 Prozent.

Steuervergünstigungen wurden 2017 in Höhe von 62,1 Milliarden Euro gewährt. Diese Summe sank gegenüber den Vorjahren leicht (2015: 62,4 Milliarden Euro; 2016: 62,2 Milliarden Euro), ist allerdings durch Effekte der Erbschaftssteuerreform verzerrt, die zu vorgezogenen Erbübergängen und Schenkungen führte. Um diesen Effekt bereinigt ist auch bei den Steuervergünstigungen ein kontinuierlicher Anstieg zu beobachten.

„Die Subventionsfreude hat in den vergangenen Jahren bedauerlicherweise immer weiter zugenommen, obwohl mittlerweile zentrale Gründe entfallen sind, die etwa während der Finanzkrise eine Ausweitung der Finanzhilfen nahelegten“, sagte Claus-Friedrich Laaser, Mitautor des Subventionsberichtes. „Die gegenwärtig günstige Kassenlage der öffentlichen Haushalte darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Finanzpolitik aufgrund des demografischen Wandels bald wieder ein rauerer Wind entgegenblasen dürfte. Die Politik wäre gut beraten, ihre Subventionen deutlich zurückzufahren und stattdessen Vorsorge für künftige Finanzierungsengpässe zu treffen sowie Herausforderungen wie die Integration von Flüchtlingen, die Bildungspolitik in Zeiten fortschreitender Digitalisierung oder die Verstärkung der inneren und äußeren Sicherheit auf die Tagesordnung zu setzen. Auch die Modernisierung der Infrastruktur dürfte mehr Mittel beanspruchen, als derzeit dafür aufgewendet werden.“

Verkehrs- und Gesundheitssektor am stärksten subventioniert

Profiteur der Staatsgelder ist vor allem der Verkehrssektor mit über 20 Milliarden Euro, hierzu zählen etwa die Regionalisierungsmittel für die Länder zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs (acht Milliarden Euro), Infrastrukturbeihilfen für Schienenwege der Bahn (5,2 Milliarden Euro) oder Entgelt- und Pensionszahlungen für ehemalige Beamte der Bundesbahn (5,2 Milliarden Euro). Größter Einzelposten ist der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 14,5 Milliarden Euro. Er ist in den letzten Jahren besonders stark gestiegen und betrug bei seiner Einführung 2004 lediglich eine Milliarde Euro.

In den letzten beiden Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben verschiedene Posten der Umwelt- und Energiepolitik, die im Jahr 2017 Finanzhilfen von insgesamt 3,8 Milliarden Euro erhielten, darin enthalten ist etwa das CO2-Gebäudesanierungsprogramm (0,9 Milliarden Euro) oder die Förderung von Elektromobilität (0,4 Milliarden Euro). Traditionell hoch sind die Finanzhilfen für den Sektor Land-/Forstwirtschaft und Fischerei, der vom Bund mit 2,7 Milliarden Euro unterstützt wurde und von der Europäischen Union weitere fünf Milliarden Euro erhielt. Immer noch subventioniert wird der Kohlebergbau, der 1,5 Milliarden Euro bekam. In den Breitbandausbau flossen 0,8 Milliarden Euro.

Steuervergünstigungen werden in erster Linie durch eine Befreiung von der Umsatzsteuer gewährt. Mit insgesamt 17 Milliarden Euro profitierten Ärzte sowie die Sozialversicherungsträger am stärksten, also Krankenhäuser, Diagnosekliniken, Altenheime, Pflegeheime, ambulante Pflegedienste und Wohlfahrtsverbände. Durch eine Ermäßigung der Umsatzsteuer subventioniert wurden auch kulturelle und unterhaltsame Leistungen (3,9 Milliarden Euro), die Personenbeförderung im ÖPNV (1,4 Milliarden Euro), Beherbergungsleistungen (1,4 Milliarden Euro) oder gemeinnützige Organisationen ohne Erwerbscharakter (0,4 Milliarden Euro).

Rot, gelb, grün – welche Subventionen gestrichen werden können

Wieder im Bericht enthalten ist die Kieler Subventionsampel, mit der alle Subventionen über einem Gesamtbetrag von 100 Millionen Euro klassifiziert werden. Ziel der Ampel ist es, Kürzungspotenziale bei Subventionen aufzuzeigen. „Rot“ bedeutet, dass die Subvention sofort ersatzlos gestrichen werden kann. Dies betraf 15,5 Prozent aller Subventionen und entspricht einem Volumen von 17,8 Milliarden Euro.

Hierunter fällt etwa Klientelpolitik wie die Umsatzsteuerermäßigung für Hoteliers (1,3 Milliarden Euro) oder die Zuschüsse zur Kranken- und Unfallversicherung bei Landwirten (1,5 Milliarden Euro). Auch werden Subventionen als rot klassifiziert, denen eine „Anmaßung von Wissen durch staatliche Stellen“ zugrunde liegt, wenn also beispielsweise bestimmte Lösungen für die Zukunft als subventionswürdig betrachtet werden, andere aber nicht. Dies betrifft die Förderung von Elektromobilität (0,4 Milliarden Euro), aber auch beispielsweise das Innovationsprogramm für den Mittelstand (0,5 Milliarden Euro).

„Gelb“ signalisiert, dass die Subvention durchaus einen gesellschaftlichen Nutzen erfüllt, die Ausgestaltung aber verbessert werden kann und/oder Kürzungspotenziale bestehen. Dieser Kategorie wurden mit 65 Prozent die Mehrzahl der Subventionen zugeordnet, was einem Volumen von 74,9 Milliarden Euro entspricht. Hierzu zählen die Autoren etwa die Regionalisierungsmittel für den ÖPNV (acht Milliarden Euro), dessen Förderung sie zwar für richtig halten, aber kritisieren, dass nicht alle Strecken per Ausschreibung vergeben werden. Ebenfalls als gelb klassifiziert wird die Subventionierung des Breitbandausbaus in ländlichen Regionen (0,8 Milliarden Euro), weil private Unternehmen damit von vorneherein aus der Verantwortung genommen würden.

Ein „grünes“ Ampelsignal zeigt an, dass ein Abbau der Subvention nicht vorgenommen werden soll oder kann. Entweder, weil ein gesellschaftlicher Mehrwert zu verzeichnen ist, etwa bei Subventionen für demokratische Bildung (0,1 Milliarden Euro), oder, weil dem rechtliche Hürden im Weg stehen, etwa bei den Pensionszahlungen an ehemalige Beamte der deutschen Bundesbahn (5,2 Milliarden Euro). Lediglich sieben Prozent der Subventionen mit einem Volumen von acht Milliarden Euro sind im Kieler Subventionsbericht als grün gekennzeichnet.

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Quelle: UD/fo
 

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