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Nordafrikanische Auffanglager: Menschenrechtliche Sorgfalt gefordert

Die aktuellen Diskussionen um die Idee, im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge in Auffanglager nach Nordafrika zurückzubringen, stoßen beim Werk für Entwicklungszusammenarbeit Misereor auf deutliche Kritik. Die bevorstehenden Wahlen in Deutschland und mehreren seiner europäischen Nachbarländer ließen befürchten, dass beim Thema Flucht und Migration Augenmaß und menschenrechtliche Sorgfalt auf der Strecke blieben, kritisiert Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon.

09.02.2017

Nordafrikanische Auffanglager: Menschenrechtliche Sorgfalt gefordert

"Wie sonst sollte man erklären, dass jetzt ernsthaft über Auffanglager in Libyen nachgedacht wird, einem zerfallenen Staat im Krieg, der angesichts anhaltender interner Gewalt selbst mehr als 300.000 Binnenvertriebene zählt?" Die Bundesregierung rede auch die von Gewalt und Terror gekennzeichnete Situation in Afghanistan schön, um Abschiebungen in dieses Land zu rechtfertigen. Ebenso sei es untragbar, dass sogar Syrien manchen als ein Staat gelte, der "sichere Gebiete" aufweise, sagt Bröckelmann-Simon.

EU keineswegs überfordert

"Wer wie ich in den vergangenen Jahren immer wieder die Krisenregionen des Nahen Osten, aber auch Nordafrikas und Afghanistans bereist hat, bringt die dort erlebte Wirklichkeit nicht mit solchen Vorstellungen zusammen", unterstreicht der Misereor-Geschäftsführer. Es könne nicht oft genug betont werden, dass die Europäische Union mit ihren materiellen Möglichkeiten keinesfalls überfordert sei durch ankommende Geflüchtete, die zahlenmäßig nur einen Bruchteil derjenigen Flüchtlinge ausmachten, die andere, weitaus ärmere Länder zu versorgen hätten. „Außerdem hält sich hartnäckig die Mär einer ‚afrikanischen Massenflucht‘ nach Europa. Fakt ist jedoch, dass der Anteil afrikanischer Asylsuchender in der EU 2016 nur bei knapp 20 Prozent lag, in Deutschland gar nur bei elf Prozent.“ Schaue man auf die afrikanischen Hauptherkunftsländer wie Nigeria, Eritrea, Somalia und Gambia, falle auf, dass es sich dabei um fragile Staaten handelt, in denen zum Teil heftige Konflikte herrschen und Freiheitsrechte eingeschränkt werden.

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Risiken und Gefahren nehmen zu

Bröckelmann-Simon unterstreicht: „Es ist eine Illusion, zu glauben, die Lösung läge insbesondere in einer Blockade von Flucht- und Migrationsrouten. Alle Erfahrung zeigt, dass durch Schließung einer Route der Druck nicht abnimmt, sondern nur die Risiken und Gefahren für die Migranten erhöht werden, die dann notgedrungen auf neue, zum Teil weitaus gefährlichere Strecken ausweichen, wie es beispielsweise mit der mauretanischen Route oder zuletzt der Balkanroute geschah." Noch vor zwei Jahren sei kaum vorstellbar gewesen, dass sich Flüchtlinge etwa von Ägypten aus über das Mittelmeer wagen würden - dies sei jedoch mittlerweile sehr häufig der Fall, und viele kämen bei der gefährlichen Überfahrt ums Leben.

Es sei zudem naiv zu glauben, dass Menschen, die in den angedachten Auffangzentren sind und dort ihren Ablehnungsbescheid erhalten, anschließend leicht in ihre Heimatländer zurückgeführt werden könnten. Die Kosten für Schleuser würden steigen und die Routen noch gefährlicher werden. Zwar sei es legitim, Menschen von einer Überquerung des Mittelmeers auf unsicheren Booten abzuhalten, es müsse dann aber andere legale Wege geben.

"Wollen wir wirklich die Augen vor all dieser Not verschließen und uns dies leichter machen dadurch, dass wir der Problemlage durch Auffanglager in Nordafrika, beizukommen versuchen – nach dem Motto aus den Augen, 'aus dem Sinn'?", fragt Bröckelmann-Simon. Die Hauptursachen für die Flucht nach Europa seien weiterhin die Kriege in Nahost und Afghanistan, von dort kämen aktuell die meisten Menschen. "Auch ich habe keine einfache und vor allem keine rasche Lösung anzubieten", sagt Bröckelmann-Simon. “Aber diese Wirklichkeit muss auch ausgesprochen werden, weil wir alle lernen müssen, mit dieser rauen Realität umzugehen, die für viele Länder diese Erde, wie etwa der Libanon, Tschad, Kenia, Jordanien und weitere Krisenstaaten seit langem Alltag ist. Die Menschen in Syrien und Irak, mit denen ich sprach, haben jedenfalls keine große Hoffnung auf baldige friedliche Lösungen in ihren Krisenregionen. Ähnliches kann ich auch für Afghanistan sagen – ein Land, in dem man die allgemeine Anspannung durch überall drohende Gewalt und Terror förmlich spürt. Ich würde mir also zumindest mehr Ehrlichkeit und Menschlichkeit wünschen in den kommenden Wochen und Monaten."

Quelle: UD/pm
 

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