Soziales Engagement

"Flüchtlinge können Segen für die Wirtschaft sein"

Die deutsche Wirtschaft boomt und die Nachfrage nach neuen Mitarbeitern steigt stetig. Allein im Januar 2016 waren 581.000 Arbeitsstellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet, 96.000 mehr als noch vor einem Jahr. So ist aktuell jede fünfte freie Stelle im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Handel unbesetzt. Damit bleibt die Bundesrepublik trotz weltwirtschaftlicher Risiken und der Flüchtlingskrise eine Jobmaschine. Wolfgang Grupp, Inhaber und Geschäftsführer der traditionsreichen Textilmanufaktur Trigema, über die Flüchtlingsproblematik, die Folgen für die deutsche Wirtschaft und die Grundprinzipien nachhaltiger Unternehmensführung.

01.03.2016

Herr Grupp, allein im Januar 2016 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 50.532 Erstanträge entgegengenommen. Die Zahlen dürften weiter massiv steigen. Ist das ein Fluch oder ein Segen für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Wolfgang Grupp: Es kommt drauf an, wer zu uns kommt. Handelt es sich bei all den Erstanträgen um lauter unqualifizierte Menschen ohne Ausbildung, wird es schwierig werden. Doch besteht die Hälfte der Flüchtlinge aus Fachkräften, dann kann das ein Segen für viele deutsche Unternehmen sein. Denn Fakt ist: Vor allem Deutschlands produzierende Wirtschaft hat immer Bedarf an handwerklich gut ausgebildeten Mitarbeitern. Wir freuen uns jedenfalls, wenn Syrer oder Pakistani als gelernte Näher oder Stricker bei Trigema anfangen wollen.

Im September 2015 wollten Sie einen pakistanischen Flüchtling anstellen, jedoch dauerte es drei Monate bis zur Bewilligung durch die Behörden. Steht Bürokratie einer schnellen Integration in Ausbildung und den Arbeitsmarkt im Wege?

Grupp: Der Fall zeigt, wie langsam die Mühlen hier und da mahlen. Zum Glück hat sich das inzwischen positiv verändert. Damals schien mir unser Anliegen viel zu nachlässig bearbeitet worden. Erst nachdem wir ein wenig Druck gemacht hatten, ging es vorwärts. Inzwischen arbeitet der besagte Pakistani einen Monat bei uns. Auch vier Syrer haben wir bereits. Diese sind jedoch schon seit einige Zeit in Deutschland und kommen nicht direkt aus einer Flüchtlingsunterkunft. Das Bewusstsein bei den Behörden ist inzwischen geschärft.

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Alle leitenden Angestellten bei Trigema sind ehemalige Lehrlinge, Sie sind quasi der einzige Akademiker. Welche Rolle spielt Qualifikation bei der Einstellung neuer Mitarbeiter beziehungsweise Flüchtlinge in einem Produktionsunternehmen?

Grupp: Von meinen beiden Kindern einmal abgesehen, bin ich der einzige Akademiker bei uns im Hause. Mein Prinzip war und ist von jeher, dass ich keine Supergescheiten brauche. Eben deshalb nicht, weil sie nicht bleiben, wie meine Erfahrung zeigt. Für uns als Textilfirma ist und bleibt die Ausbildung sowie das Können der einzelnen Mitarbeiter das A und O. Indem wir auch selbst ausbilden, haben wir eine große Auswahl an Fachkräften und können zielgerichtet entscheiden, individuelle Stärken identifizieren und diese gezielt weiterentwickeln.

Sie beschäftigen in Deutschland 1.200 Mitarbeiter aus über 20 Nationen. Viele Ihrer Konkurrenten aus der Textilbranche lassen deutlich günstiger im Ausland produzieren, um Kosten zu sparen. Ist Ihr Slogan "100% Made in Germany" nicht unwirtschaftlich?

Grupp: Nein! Nennen Sie mir einen Vertreter in meiner Branche, der vor 30 Jahren gearbeitet und dabei gut Geld verdient hat, und den es heute noch immer gibt. Ich kenne keinen Einzigen, der reicher geworden ist, indem er Arbeitsplätze verlagert hat. Im Gegenteil: Viele sind pleitegegangen. Sei es Schiesser, Jockey und Co. Allein in meinem Heimatort gab es 26 verschiedene Textilunternehmer. 25 haben Arbeitsplätze verlagert und sind anschließend vom Markt verschwunden. Top-Produkte "Made in Europe" sind möglich, wir versuchen das täglich.

Wolfgang Grupp, Inhaber und Geschäftsführer der traditionsreichen Textilmanufaktur Trigema.
Wolfgang Grupp, Inhaber und Geschäftsführer der traditionsreichen Textilmanufaktur Trigema.

Möglich schon, im Vergleich zu international produzierenden Playern jedoch zu erheblich höheren Preisen, was letztlich auf die Marge drückt.

Grupp: Wir haben nach wie vor große Chancen in Europa. Jedoch müssen wir hierzulande etwas dafür leisten. Das heißt: Nur Produkte mit technisch hohem Niveau herstellen. Auf der anderen Seite zahlt der Kunde gerne etwas mehr, wenn er weiß, dass er das für gute Qualität tut und eine zu fairen Konditionen hergestellte Ware erhält. Entwickelt und geforscht wird nicht am Schreibtisch, sondern an den Arbeitsplätzen vor Ort. Lassen wir Abwanderung verstärkt zu, dann wird das Know-how an unseren Produkten langfristig nicht mehr ausreichen. Auch eine gute Bezahlung und Behandlung von Mitarbeitern ist letztlich die Voraussetzung für langfristig gute Produkte und hohe Qualität. Das ist so und wird auch immer so bleiben. Außerdem wird so sichergestellt, dass die Fluktuation klein ist und die Leute im Unternehmen bleiben.

Sie werden am 4. April 74, schwimmen seit 1968 jeden Morgen vier Bahnen und führen Trigema nun fast seit 50 Jahren. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Grupp: Kurzfristig Erfolg haben, ist keine Kunst, den Erfolg hingegen langfristig zu sichern und durchzustehen schon. Trends erkennen und die Arbeitsplätze danach ausrichten, das muss die Aufgabe eines jeden verantwortungsvollen Unternehmers sein. Innovationen, Flexibilität und Know-how - darauf kommt es im Wesen an, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Voraussetzung dafür sind jedoch gute Leute mit Hausverstand, die sich nicht zu fein sind, die Hände schmutzig zu machen und an der Maschine zu stehen. Bodenständigkeit ist zentral für unsere Wertschöpfung. Schließlich können wir nur dann Geld verlangen, wenn wir aus dem Garn ein fertiges Textil machen. Wer hingegen nur tolle Ideen hat, seine Mannschaft aber nicht auf die Zukunft ausrichtet, wird auf lange Sicht hinaus keinen Erfolg haben.

Quelle: UD/pte
 

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