CSR-Management

„Volkswagen hat einen Riesenfundus an Umweltkenntnissen“

Volkswagen will bis 2018 weltweit nachhaltigster Autobauer werden. Ein entscheidender Baustein ist die neue Konzern-Umweltstrategie. Hierbei setzt Volkswagen nicht nur auf Zielvorgaben von oben. Genauso wichtig sind praktische Ideen und Vorschläge aus der Produktion, die über alle Marken hinweg ausgetauscht werden. Wie die Strategie funktioniert, erläutert der VW-Konzern-Umweltbeauftragte Wolfram Thomas im Gespräch mit UmweltDialog.

20.02.2015

Wolfram Thomas, Konzernbeauftragter für Umwelt, Energie und Neue Geschäftsfelder bei Volkswagen
Wolfram Thomas, Konzernbeauftragter für Umwelt, Energie und Neue Geschäftsfelder bei Volkswagen

Volkswagen will der nachhaltigste Autobauer der Welt werden. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Dazu haben Sie eine entsprechende Konzern-Umweltstrategie vorgestellt. Könnten Sie uns diese in knappen Worten skizzieren?

Wolfram Thomas: Die Konzern-Umweltstrategie fasst alle Aktivitäten zusammen, um bis 2018 unser Ziel, die ökologische Nummer eins im Automobilbau weltweit zu werden, zu erreichen. Dazu zählen vier Zielfelder: Ressourcenschonung über Lebenszyklus, die durchgängige Verankerung des Umweltthemas im Unternehmen, Führungsanspruch bei umweltfreundlichen Produkten sowie „intelligente Mobilität“ im Zusammenhang mit Umweltschutz. Letzteres bedeutet, dass wir uns damit beschäftigen, wie wir Verschwendung beim Thema Mobilität reduzieren. Und übergeordnet verankern wir Umweltschutz als integrales Konzept innerhalb der Organisation – und zwar quer durch alle Organisationsebenen, Entscheidungsprozesse, Standorte und Marken.

Umweltschutz gab es doch auch früher schon bei Volkswagen. Was unterscheidet den klassischen betrieblichen Umweltschutz von der Strategie, die Sie da skizzieren?

Thomas: Umweltschutz, wie wir ihn seit Beginn der 70er-Jahre betreiben, macht sich im Wesentlichen fest an der Umsetzung der Zertifizierungsansprüche DIN ISO 14001 und EMAS. Außerdem gibt es Vorgaben der Politik, die hier integriert oder verankert sind. Mit der Konzern-Umweltstrategie haben wir zusätzlich konkrete, messbare und nachverfolgbare Ziele definiert und zeigen auf, wie wir das in der Praxis umsetzen. Durch das konkrete Beschreiben der Zielrichtung gehen wir über den klassischen Umweltschutz hinaus.

Als Sie die Aufgabe des Konzern-Umweltbeauftragten übernommen haben, haben Sie zunächst eine Art Inventur in Form eines Self-Assessments gemacht. Was haben Sie vorgefunden?

Thomas: Das war eine der größten Herausforderungen, aber auch eine der größten Überraschungen! Wir haben über einen Zeitraum von gut einem Jahr geschaut, was wir eigentlich alles machen: Was machen wir zum Thema Umweltschutz? Was machen wir zum Thema Organisation? Was machen wir zu Biodiversitätsprojekten im Unternehmen? Die Antwort lautet: Eine Menge! Wir haben schlicht und einfach aufgrund der Größe des Volkswagen Konzerns einen Riesenfundus an internen Benchmarks. Irgendjemand weiß immer Rat oder hat eine tolle Idee, die man auf andere Marken übertragen kann. Das Erkennen – was haben wir alles? – und dann daraus abzuleiten – wie können wir das intern an andere Stellen übertragen? – war und ist die eigentliche Herausforderung.

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Wenn ich mir die Zielwerte Ihrer Umweltstrategie anschaue, dann sehe ich dort richtig große Sprünge von zehn Prozent, 20 Prozent. Ist es so leicht, im Umweltschutz noch so große Schritte zu machen?

Thomas: Wichtig ist Akzeptanz durch die Belegschaft. Die Kollegen unten in der Produktionshalle realisieren ständig kleine oder auch mittlere Maßnahmen. Das addiert sich! Wenn zusätzlich durch neue Technologien in den Fabriken Impulse kommen, führt es in der Summe dazu, dass man solche Verbesserungssprünge realisieren kann.

Messgröße sind sogenannte Key Performance Indicators (KPIs). Anhand dieser könnte man ja dann auch zweifelsfrei festlegen, wer der nachhaltigste Autobauer ist. Wie viele solcher KPIs muss es langfristig im Autosektor geben? Wer definiert und misst diese?

Thomas: Das ist eine gute Frage. Wir können heute noch nicht sagen, wie viele KPIs es langfristig gibt, weil wir stark davon ausgehen, dass sich Veränderungen über die Zeitachse ergeben. Das heißt, dass wir möglicherweise in fünf Jahren andere Schwerpunkte haben als heute. Wenn erst einmal KPIs in ein System eingebaut sind und sowohl das Verständnis dafür als auch die Technologien für die Verbesserung dieser Umweltkennzahlen vorhanden sind, existiert selbst bei einer Riesenkomplexität wie bei uns ein sehr gutes Gerüst, um gegebenenfalls weitere KPIs anzudocken. Heute schauen wir primär auf die Kennwerte für Energie, CO2, Wasser, Abfall und Lösemittelemissionen, die wir gegenüber 2010 bis 2018 um jeweils 25 Prozent senken wollen. Ob wir morgen oder übermorgen mehr auf Lärm, Staubpartikel und Stickoxide schauen, wird sich zeigen.

Wie kann ich mir das Thema Zielverfolgung in der Praxis vorstellen?

Thomas: Wir haben ein durchgängiges Berichtssystem über den gesamten Konzern und alle seine Marken aufgebaut. Bildlich gesprochen haben wir uns dazu an einen Tisch gesetzt und überlegt, wie wir eine Systematik aufbauen, die uns das Messen von Fortschritten erlaubt und uns zeigt, wo Probleme auftreten und wo wir intervenieren müssen. Als einheitliche Ausgangsbasis haben wir das Referenzjahr 2010 festgelegt. Daraufhin haben wir mit jedem Standort den jeweiligen Bilanzrahmen festgelegt. Nur so sprechen wir wirklich über dasselbe, können wirklich vergleichen und bekommen vor allem vor Ort Akzeptanz. Das hat lange gedauert, aber das war es uns wert, damit es hinterher keine Interpretations-Spielräume gibt. Auf Basis der Standort-Vereinbarungen, die übrigens vom Werkleiter bis zum Controller jeweils fünf verbindliche Unterschriften tragen, haben wir dann das Reporting-System aufgebaut. Seit zwei Jahren sind wir dabei, Datenbanken zu füllen und erhalten dazu von jedem einzelnen Standort quartalsweise Fortschrittsberichte. Damit werden die Daten immer detaillierter, was sie zunehmend besser interpretierbar macht.

Wir schauen aber nicht nur zurück, sondern auch nach vorne. Im vergangenen Jahr haben wir angefangen, für rund die Hälfte aller Standorte Prognosen zu stellen. Jeder Standort hat ja einen individuellen Zielpfad, wie er bis 2018 seine 25 Prozent Umweltentlastung sicherstellt. Wir sind jetzt nicht nur in der Lage, die jeweiligen Fortschritte zu validieren, sondern können sehen, ob der Standort sich im Zielkorridor bewegt. Durch die Zielprognose sind wir in der Lage, gegebenenfalls frühzeitig zu intervenieren und weitere konkrete Maßnahmen durchzuführen.

Wolfram Thomas vor dem Volkswagen Werk in Südafrika
Wolfram Thomas vor dem Volkswagen Werk in Südafrika

Warum ist das wichtig?

Thomas: Wenn Sie immer nur retroaktiv, also im Rückblick, Probleme angehen, dann vergeht einfach zu viel Zeit, bis definierte Maßnahmen Wirkung zeigen. Deshalb sind wir dabei, vorausschauender zu agieren.

Volkswagen investiert enorme Summen in seine Nachhaltigkeitsziele. Was treibt Sie da in erster Linie an? Ist es die Sorge vor staatlicher Reglementierung in den verschiedenen Märkten Europa, USA, China? Sind es die knapper werdenden Ressourcen oder die Chance auf Umsatz und Marktstimmung?

Thomas: Es ist eine Kombination aus allen Aspekten. Wir unterliegen bestimmten Umweltauflagen und CO2-Gesetzgebungen, die automatisch dazu führen, dass wir viel mehr in moderne Effizienztechnologien investieren. Fortschritte hier sind wiederum Chancen am Markt. Das gilt auch für das Thema Ressourcen, ob bei Metallen oder bei Mineralöl. Wichtig ist schlicht und einfach, dass man diese Aspekte verbindlich im Unternehmen verankert. Und das kostet Geld.

Öl ist ein gutes Stichwort. Derzeit erleben wir einen extrem günstigen Ölpreis und wenn man die Experten befragt, so bleibt das noch ein paar Jahre so. Läuft das nicht Ihren Flottenverbrauchsplänen entgegen? Baut Ihre Strategie nicht auf Mangel auf? Stattdessen haben wir jetzt Öl im Überfluss!

Thomas: Eine gute Strategie hat ja den Charakter, dass sie nicht kurzfristig ist, sondern längerfristig ausgelegt ist und nicht ständig geändert werden muss.

Die Umweltstrategie hat mit dem Erfüllungsjahr 2018 sich selbst nur ein kurzfristiges Ziel gesteckt...

Thomas: Stimmt. 2018 ist praktisch übermorgen. Aber 2018 ist der Prozess ja nicht zu Ende, sondern 2018 erreichen wir ein Etappenziel. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir anschließend darauf aufbauen und uns deutlich weiterentwickeln werden. Dabei müssen wir Entwicklungen auf den Weltmärkten im Blick behalten und uns so aufstellen, dass wir davon unabhängig unseren Weg weiter gehen.

Zieht der Verbraucher da immer mit?

Thomas: Am Thema „saubere Produkte aus sauberen Fabriken“ kommt heute kein Autobauer mehr herum. Das ist ein Muss für alle. Darüber hinaus probieren wir bestimmte Ideen aus, denken Sie nur an den Volkswagen XL1, das sparsamste Serienfahrzeug der Welt. Mit dem Drei-Liter-Lupo waren wir vielleicht zu früh am Markt. Das Thema war damals noch nicht soweit. Oder nehmen Sie den Porsche Lohner, ein visionäres Elektroauto mit Narbenantrieb aus dem Jahr 1899! Am Ende geht es immer darum, was der Kunde annimmt. Bei unseren Konzernmarken hat er die Wahl – in Europa stehen heute schon 422 Modellvarianten mit maximal 120 Gramm CO2 zur Verfügung. Was ich bei Volkswagen gut finde, ist, dass wir es uns erlauben, Neues auszuprobieren und damit eine Basis für die nächsten Schritte zu schaffen. Und ich denke, bei unserer Größe, da sind wir beim Thema Verantwortung, ist genau das unsere Aufgabe.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Wolfram Thomas (59) ist seit dem 1. Dezember 2012 Konzernbeauftragter für Umwelt, Energie und Neue Geschäftsfelder des Volkswagen Konzerns in der Konzernzentrale Wolfsburg. Nach dem Abitur begann er den Studiengang Maschinenbau an der Technischen Universität Braunschweig, den er 1982 erfolgreich abschloss. Noch im gleichen Jahr erfolgte sein Einstieg als Trainee bei Volkswagen in Kassel. Von 1990 bis 1993 war er in der Abteilung Prozessengineering von SEAT S.A. und im Werk Gearbox del Prat, einer 100-prozentigen Tochterfirma der SEAT S.A., beschäftigt.

Im Anschluss daran übernahm er die Leitung der Abteilung Prozessengineering der Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover. 1995 folgte die Ernennung zum Direktor des Werkes Gearbox del Prat. Im September 2002 wurde er zum Vorstandsmitglied für Produktion und Vizepräsidenten der Produktion der SEAT S.A. ernannt. In dieser Funktion war er bis zu seiner Ernennung zum Konzernbeauftragten für Umwelt, Energie und Neue Geschäftsfelder des Volkswagen Konzerns tätig.

Quelle: UD
 

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